Innovationspreis Gefahr/gut 2018: Lückenlos gewickelt
Tanks für die Beförderung gefährlicher Güter werden oft aus Stahl oder Edelstahl, aber auch aus Glasfaser (GFK) hergestellt. Um die Behälter widerstandsfähig gegen aggressive Stoffe zu machen, kleidet man sie anschließend mit Platten aus Polyethylen (PE) aus oder versieht sie mit einer Gummierung.
Spannungsprobleme
Dabei können jedoch mehrere Probleme auftreten. So ist PE zwar sehr beständig gegen korrosive Materialien, doch entstehen beim Verkleben und Verschweißen der Platten im Tank Spannungen, die später zu Rissen und Ablösungen führen können. Abgelöste Teile verunreinigen das Transportgut, und Säure, die durch Risse wandert, greift das Material des Behälters an. Gummierungen hingegen sind nicht nur anfällig für mechanische Schäden, sie müssen auch feucht gehalten werden. Zudem nutzt man gummierte Tanks meist nur für eine Produktgruppe, da das Gummi teilweise Säure aufnimmt, die es bei falscher Handhabung an andere Füllgüter abgeben kann. Die Folge sind unerwünschte chemische Reaktionen. Bei GFK-Tanks schließlich kriecht Säure entlang der Fasern, was ebenfalls zu enormen Schäden führen kann.
Die Firma Omni Willig Carbon (OWC), ein Gemeinschaftsprojekt des Straubinger Fahrzeugherstellers Kurt Willig und des australischen Unternehmens Omni Tanker, hat eine Lösung gefunden, mit der sich diese Probleme umgehen lassen. Sie liefert Tanks aus Polyethylen, die mit einer Außenhaut aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) versehen sind. Für die Entwicklung dieser „Carbon Mini Tanks“ hat OWC nun den Innovationspreis Gefahr/gut 2018 erhalten.
Die Idee hinter der prämierten Lösung basiert auf einem zweigeteilten Herstellungsprozess. Zunächst wird ein PE-Tank in der gewünschten Größe geformt. Beim Abkühlen schrumpft dieser schweißnahtlose Liner, ohne dass im Material Spannungen entstehen, die später zu Rissen führen könnten. Ist der Tank abgekühlt, wird er mit einem Band aus Carbonfaser so oft umwickelt, bis eine lückenlose Außenhaut von acht bis zehn Millimetern Dicke entstanden ist. Zudem werden PE und CFK nach einem patentierten Verfahren miteinander verbacken. Ergebnis ist ein äußerst chemikalienbeständiger Tank mit harter Schale. „Das Carbon schützt den Liner, so dass dieser keine Kräfte aufnehmen muss“, erklärt OWC-Geschäftsführer Karlheinz Stern und ergänzt: „In Australien wird mit den Tanks seit Jahren ohne Probleme Hypochlorit gefahren.“
Um auch in Europa gefährliche Güter transportieren zu können, müssen die Behälter den Vorgaben der Kapitel 6.8 und 6.9 ADR entsprechen. Dazu gehören Druck- und Brandtests, die OWC bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung BAM mit Erfolg durchführen ließ. Seit dem Frühjahr 2017 haben die Minitanks deshalb eine Baumusterzulassung gemäß Codierung L4BN und L4BH.
Niedriges Leergewicht
Einer der größten Vorteile ist das niedrige Gewicht. „Unsere Tanks haben ein Leergewicht von 680 Kilogramm bei 4000 Litern Bruttovolumen. Vergleichbare Produkte aus GFK haben ein Leergewicht von 980 Kilo bei 3100 Litern Volumen. Das entspricht einem Gewichtsvorteil von 30 Prozent bei zugleich 30 Prozent Mehrvolumen“, rechnet Stern vor.
Andreas Frank, Geschäftsführer Staub & Co. – Silbermann, bestätigt diese Rechnung. Der Chemikalienhändler hat seit einem Jahr ein Fahrzeug im Einsatz, das mit drei Carbon Mini Tanks ausgestattet ist. „Viele unserer Kunden haben 5000-Liter-Tanks in ihren Firmen stehen und bestellen deshalb meist 3500 bis 4000 Liter nach“, weiß Frank. Und weiter: „Bisher haben wir zwei Tanks für die Lieferung gebraucht, jetzt reicht einer.“
Er setzt den LKW darüber hinaus mit einem Tandemachsanhänger ein, auf dem zwei weitere carbonfaserverstärkte PE-Tanks stehen. Eine in der Chemiebranche unübliche Kombination, wie Frank zugibt. „Aber dank der 4000-Liter-Tanks können wir das Fahrzeug idealerweise auf 40 Tonnen ausladen“, begründet er seine Entscheidung. Außerdem ist der Zug dank Doppelachshänger sehr wendig und kann daher auch Entladestellen mit schwierigen Platzverhältnissen anfahren.
Ein weiterer Vorteil ist die leichte Reinigung. „Wir fahren deshalb mit den neuen Tanks nicht ‚dedicated‘, also immer mit derselben Produktgruppe, sondern wechseln die Produkte tagtäglich“, sagt Frank.
Auch an die Arbeitssicherheit haben Tanklieferant und Chemiehändler bei der Konstruktion des Fahrzeugs gedacht. So wurden die Ausläufe deutlich niedriger als bei den bislang verwendeten Tankwechselbrücken angelegt, wodurch der Fahrer die Schläuche beim Anschließen in geringer Höhe kraftsparend handhaben kann. Und bei der Arbeit an den Domdeckeln muss er keinen Absturz aus vier Metern Höhe mehr fürchten: Laufstege zwischen den Tanks sorgen dafür, dass das Fahrpersonal bequem und sicher von der Seite her Zugriff erhält.
Höhere Anschaffungskosten
Wie zu erwarten sind die High-Tech-Behälter teurer als herkömmliche Modelle. „Bei unserer Tankgröße sind es etwa 25 Prozent mehr“, gibt Frank an. Laut Karlheinz Stern können die Anschaffungskosten – abhängig von Ausstattung und Codierung – um bis zu 50 Prozent über dem Preis für GFK-Tanks liegen.
Aktuelles Projekt von OWC ist ein Carbon-Tankcontainer mit 23.200 Litern Inhalt, dessen Baumusterdaten nach Angaben der Firma bereits der BAM vorliegen. Als Nächstes will man in Straubing Swap-Bodies zwischen 26 und 27 sowie einen Tank mit 31 Kubikmetern angehen. „Und danach haben wir einen 35-Kubik-Container für Straße und Eisenbahn in der Planung“, fasst Geschäftsführer Karlheinz Stern seinen Ausblick zusammen.
Rudolf Gebhardt
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