Lithiumbatterien

03.03.2022 Fachbeitrag

Lithiumbatterien: Es bleiben viele Probleme

Brandschutzmaßnahmen und neue Vorschriften, aber auch die Schwierigkeiten bei der Entsorgung defekter Lithiumbatterien wurden auf dem Online-Forum von fokus GEFAHR/GUT Ende Januar erörtert.
Screenshot Online-Forum Lithiumbatterien 1200

Großes Interesse: 98 Teilnehmer verfolgten die Veranstaltung am 27. Januar an den Bildschirmen.

©Foto: Rudolf Gebhardt/Springer Fachmedien München GmbH

Bei der Entwicklung künftiger Lithiumbatterie-Generationen erwartet Falko Schappacher vom MEET Batterieforschungszentrum eher eine Revolution als eine Evolution. „Die Zukunft wird die Lithium-Metall-Elektrode sein“, erklärte der Batterie-Experte auf dem Online-Forum „Transport, Brandschutz und Entsorgung von Lithiumbatterien“. 98 Teilnehmer verfolgten die Veranstaltung der Redaktion fokus GEFAHR/GUT am 27. Januar an den Bildschirmen.

Zwar gebe es den Typus der Lithium-Metall-Batterie schon seit den 1980er-Jahren, so der Referent weiter. Doch mit ultradünnem Lithium-Metall in der Anode, einem sicheren Elektrolyten und einer hohen Zahl von Ladungszyklen böten derartige Batterien „einen enormen Vorteil bei gewichts- wie auch bauraum­intensiven Anwendungen“. Mit 400 bis 500 Wattstunden Energie pro Kilogramm rechnet Schappacher bei diesem von ihm als „Generation 3“ bezeichneten Typ. Beim Sicherheitsaspekt konnte er jedoch keine Entwarnung geben. „Auch Batteriezellen mit Festelektrolyt und Lithium-Metall-Anode können einen Thermal Runaway erleiden“, musste der Fachmann feststellen.

Probleme bei Bränden

Angesichts mehrerer Brandfälle mit Elektrobussen in Fahrzeugdepots, von denen kürzlich in den Medien berichtet wurde, zeigte Lutz Erbe von VGH Versicherungen einige typische Mängel an Brand- und Komplextrennwänden. Immer wieder beobachte er beispielsweise, dass Kabel ohne geeignete oder sogar völlig ohne Schottung durch Wände geführt würden. „In eine Kabeldurchführung einfach eine Tube Bauschaum zu drücken, reicht nicht aus“, mahnte Erbe und ergänzte: „Da nützt dann auch die schönste Brandwand nichts.“ Vielmehr seien in diesen Fällen spezielle Schottungen in Form von Brandschutzstopfen, -steinen, -kissen und anderen nicht brennbaren Materialien zu verwenden, wie sie die VdS-Richtlinie 2025 fordere. Nur mit diesen könne der Feuerwiderstand durchbrochener Wände wiederhergestellt werden. Sein Fazit: „Brandwände verhindern zwar keine Brände, aber sie helfen dabei, das Ausmaß der Brandschäden zu verringern.“

In seinem zweiten Vortrag griff Lutz Erbe das Problem häufiger Brände bei Entsorgern auf. „Entsorgungsfirmen sind kaum noch versicherbar“, umriss er das Problem und stellte zugleich eine mögliche Lösung vor: die berührungslose Temperaturmessung, die sogenannte Thermografie, beschrieben in der erst 2021 überarbeiteten VdS-Richtlinie 2851. Mithilfe spezieller Wärmekameras erlaubt sie den dafür anerkannten Sachverständigen, Anlagen gezielt auf auffällige Wärmeentwicklung zu untersuchen. „Die Thermografie bietet ein bildgebendes Analyseverfahren zur Bewertung von Schwachstellen bei gleichzeitig laufendem Produktions- und Fertigungsprozess“, erklärte Erbe. Allerdings könne sie immer nur ergänzend eingesetzt werden, sie ersetze nicht die anderen Prüfungen.

Neue Vorschriften im Luftverkehr

In der seit Jahresbeginn geltenden 63. Ausgabe der Luftverkehrsvorschriften IATA-DGR wurde in den für die UN-Nummern 3480 und 3090 geltenden Packing Instructions 965 und 968 der Teil II gestrichen, allerdings mit einer Übergangsfrist bis Ende März. „Ab dem 1.4. sind entsprechende Versandstücke also immer mit UN-Nummer, Proper Shipping Name und Gefahrzettel 9a zu versehen“, sagte Norbert Müller, Welt-Gefahrgutbeauftragter bei DB Schenker, auf dem Online-Forum. Dies gelte auch für Bestandsware, weswegen eventuell eine Nachkennzeichnung vorgenommen werden müsse.

Einige Änderungen bei Lithiumbatterien gebe es in den Land-, See- und Luft-Gefahrgutvorschriften ab 2023, „aber wir haben keine signifikanten Brüche zu erwarten“, so Müller. Beispielsweise sei dann bei der Prüfzusammenfassung, die in Absatz 38.3.5 des UN-Handbuchs Prüfungen und Kriterien festgelegt ist, keine Unterschrift mehr erforderlich. Beim Kennzeichen für die „kleinen“ Lithiumbatterien werde zudem künftig die Telefonnummer entbehrlich, wobei vorhandene Kennzeichen mit Telefonnummer noch bis Ende 2026 weiterverwendet werden dürfen. Und wenn gemäß einer Sondervorschrift in Kapitel 3.3 ADR/RID/ADN und IMDG-Code sowie 4.4 IATA-DGR zusätzliche Angaben erforderlich sind, müssen diese in das Beförderungsdokument aufgenommen werden.

Mobile Lösung

Einen mobilen Batteriecontainer für die emissionsfreie Binnenschifffahrt stellte Teus van Beek von der finnischen Firma Wärtsilä auf dem Forum vor. Unter der Bezeichnung „ZESpack“ (Zero Emission Services) bietet dieser mit Lithium-Ionen-Batterien ausgestattete 20-Fuß-Container deutlich mehr als 2000 Kilowattstunden Energiekapazität. „Bei 500 Kilowatt Leistung kann ein Schiff bis zu fünf Stunden fahren“, sagte van Beek und ergänzte: „Die Reeder zahlen pro Kilowattstunde, es gibt also keine hohen Investitionen in Energiesysteme.“

Die Container verfügen nach seinen Worten über ein Gaswarn- und Feuerlöschsystem, Anlagen zur Kühlung und Belüftung, einen mehrpoligen DC-Schnellsteckverbinder sowie ein eigenes Energiemanagement. Geladen werden sie an speziellen Ladestationen mit erneuerbarer Energie, wie der Referent versichert. Auf den Schiffen können die 27 Tonnen schweren Behälter wie normale Container verstaut und anschließend angeschlossen werden. „Die meisten neuen Schiffe laufen bereits dieselelektrisch, also sind sie einfach umzurüsten. Die Energie wird auf Pay-per-Use-Basis abgerechnet, mit einer elektrischen Antriebslinie können Schiffe auch mit Wasserstoff oder anderen Energieträgern angetrieben werden, und die Emissionen werden pro Jahr und Schiff um 1000 Tonnen CO 2 und sieben Tonnen NOx reduziert“, zählte van Beek die Vorteile des Systems auf.

Ergänzend zum Einsatz von ZESpack präsentierte Cor Meedendorp die Brandschutzlösungen für Schiffsanwendungen seines Unternehmens FiFi4Marine (Fire Fighting for Marine). Unter anderem stattet die Firma die mobilen Batteriecontainer von Wärtsilä mit Schaumlöschanlagen aus. Die automatisierte direkte Schauminjektion in Kombination mit einer zeitbasierten Reinjektionssteuerung stoppe laut Meedendorp nachweislich das Feuer und spare bis zu 99 Prozent der verbleibenden Batterien. Dies verringere Systemschäden und ungewollte Ausfallzeiten. Getestet und zugelassen sei das System von der Schiffsklassifikations-­Gesellschaft DNV und der dänischen Seeschifffahrtsbehörde DMA.

Grafik Rücknahme Lithium-Primärbatterien 1200

In Verkehr gebrachte und zurückgenommene Lithium-­Metall-Batterien 2013 bis 2020.

©Foto: Grafik: Umweltbundesamt

Rücknahme von Batterien

Der Rücklauf gebrauchter Lithium-Gerätebatterien lässt noch sehr zu wünschen übrig. Wie Norbert Müller in seinem Vortrag über Lithiumbatterien als Abfall zeigte, wurden laut Umweltbundesamt im Jahr 2020 in Deutschland zwar insgesamt 16.253 Tonnen Lithium-Ionen- und -Metall-Batterien in Verkehr gebracht (ohne Industriebatterien für E-Fahrzeuge, siehe auch die Grafiken links und rechts), aber nur 2729 Tonnen zurückgegeben beziehungsweise zurückgenommen. Und das, obwohl das Batteriegesetz die Erzeuger von Abfallbatterien und Elektroaltgeräten zur Rückgabe und die Hersteller und Vertreiber zur Rücknahme verpflichtet. Es sei aber zu erwarten, dass mit zunehmendem Alter der Geräte die Rücklaufquoten deutlich steigen.

Einen Sonderfall stellt die grenzüberschreitende Beförderung gebrauchter Elektro- und Elektronikgeräte dar. „Auch diese unterliegen dem Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle, obwohl es keine Abfälle sind“, sagte Müller. Es sei deshalb bei der Beförderung dieser Geräte ihre Nicht-Abfall-Eigenschaft zu belegen. Man wolle damit, so der Referent, eine Umgehung der Vorschriften für Abfälle verhindern (ein Formular, welche Informationen dem Fahrer im grenzüberschreitenden Abfalltransport mitzugeben sind, finden Sie in den Arbeitshilfen, Suchwort „EEE“).

Zum Schluss wies Müller darauf hin, dass die Teilnahme an einem Batterierücknahmesystem den Abfallerzeuger nicht von seinen Pflichten als Verpacker befreit, die er gemäß Paragraf 22 GGVSEB hat. Denn Verpacker ist das Unternehmen, das die gefährlichen Güter (in diesem Fall die Abfallbatterien) in Verpackungen einfüllt. „Ich muss also Verpackung und Bezettelung auch dann kontrollieren, wenn mir diese vom Rücknahmesystem zur Verfügung gestellt werden“, konstatierte Norbert Müller.

Grafik Rücknahme Lithium-Sekundärbatterien 1200

In Verkehr gebrachte und zurückgenommene Lithium-Ionen-Batterien 2012 bis 2020.

©Foto: Grafik: Umweltbundesamt

Kritisch defekte Batterien

Von seinen Erfahrungen bei der Rückführung einer großen kritischen Lithium-Ionen-Batterie aus Südostasien nach Deutschland berichtete Michael Knobloch, Leiter Marketing-Vertrieb-Business Development der Firma LogBatt. Das Unternehmen verwendete dafür die selbst entwickelte und von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung BAM als Großverpackung zugelassene „SafetyBATTbox“.

Schwierigkeiten traten laut Knobloch an verschiedenen Stellen auf. So bereitete beispielsweise das als Füllmittel zugelassene Granulat Probleme beim Scannen am Flughafen. Zudem habe die Fluggesellschaft bemängelt, dass das Füllmittel, da frei beweglich, die Flugstabilität beeinträchtige. Gelöst wurden beide Probleme, indem man das Granulat in handliche Stoffbeutel verpackte. Auf der Seereise wurde die Box mit der Batterie ventiliert transportiert, um den Rauchabzug bei einem möglichen Thermal Runaway zu sichern. Und da Reedereien die Mitnahme kritisch defekter Lithiumbatterien im Allgemeinen ablehnen, wurde die Batterie nach den Aussagen des Referenten technisch so weit zurückgebaut, dass sie als UN 3288 giftiger anorganischer fester Stoff befördert werden konnte. Dazu kamen lange Gespräche mit Behörden und Engpässe bei der Verfügbarkeit der notwendigen Ausrüstung. Insgesamt habe der Rücktransport deshalb acht Monate gedauert, so Michael Knobloch.

Bei verunfallten Elektrofahrzeugen in Österreich setzen Einsatzkräfte und Pannendienste auf eine abgestimmte Vorgehensweise zur Behandlung kritisch defekter Batterien. Laut Rudolf Baumgartner, Gefahrgut- und Logistikexperte in Purbach/A, gehören dazu die Beurteilung des Zustands der Batterie durch eine geschulte Fachkraft und die Notfallbeförderung zu einem sicheren Abstellplatz mit einer Box der Feuerwiderstandsklasse E90, wobei die Batterie laufend mit Temperatursensoren überwacht werde. Nach 96 Stunden erfolgt eine Neubewertung des Zustands der Batterie. In über 90 Prozent der Fälle, so der letzte Referent des Forums, würde sie dann auf „defekt“ herabgestuft.

Rudolf Gebhardt


Fachkonferenz im April

Ursprünglich hätte Ende Januar 2022 die 15. Fachkonferenz Lithiumbatterien in Göttingen stattfinden sollen. Aufgrund der unsicheren Corona-Lage war sie schon vor drei Monaten auf Ende April (26.–28.4.2022) verschoben worden.

Die Fachkonferenz beleuchtet alle Aspekte der Lithiumbatterielogistik – von der „Geburt“ bis zum Ende. Die drei Tage bieten folgende Schwerpunkte:

26.04.: Brandschutz
27.04.: Transport und Lagerung
28.04.: Rücknahme und Entsorgung

Darüber hinaus finden am Vortag (25.04.) mehrere Fachseminare über Lithiumbatterien im Landverkehr, im See- und Luftverkehr, die Entsorgung von Lithiumbatterien sowie brandschutztechnische Grundlagen statt. Weitere Informationen zur Veranstaltung sowie die Möglichkeit, sich noch anzumelden, finden Sie in der Rubrik „Termine“.

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