Innovationspreis Gefahr/gut 2015: Drei Kammern für das gleiche Bild
Der Umgang mit flüssigen Gefahrgütern in Tankfahrzeugen und Containern kann eine riskante Sache sein. Schläuche, Kupplungen und andere Armaturen müssen richtig bedient werden, eine entsprechende Schulung der Fahrer und des Ladepersonals ist Voraussetzung. Aber auch die Mitarbeiter in der Disposition sollten wissen, was bei der Be- und Entladung von Tanks wichtig ist. Nur so ist gewährleistet, dass alle, die an einem Transport flüssiger Güter beteiligt sind, auch die gleichen Bilder im Kopf haben und sich gegenseitig verstehen.
Bei der internationalen Fachspedition Hoyer hat man sich über dieses Problem Gedanken gemacht und einen speziellen Schulungscontainer entwickelt. Er basiert auf einem Swapbodytank und verfügt über drei Kammern, von denen eine begehbar ist, während die anderen beiden voll funktionsfähig sind. Damit ist es möglich, nicht nur das Innenleben eines Tanks zu demonstrieren, sondern zugleich auch die Bedienung an echten Armaturen zu üben. Für diesen Container hat die Spedition Hoyer nun den Innovationspreis Gefahr/gut 2015 erhalten.
Verschiedene Funktionalitäten
Begonnen hatte die Entwicklung zum Jahreswechsel 2013/2014. „Wir wollten unser eigenes Personal schulen“, erinnert sich Dieter Platz, Manager Netlog Equipment Development and M&R Management bei der Hoyer-Geschäftseinheit Chemilog. Und weiter: „Dazu brauchten wir natürlich ein Gerät, das Funktionalitäten bietet.“ Denn es sollte ja sowohl für Dispositionsmitarbeiter als auch für Fahrer geeignet sein.
Der entscheidende Vorteil des neuen Schulungscontainers, der im Juni 2014 in Betrieb ging, liegt denn auch in seiner vielseitigen Verwendbarkeit. Begehbare Tanks für Besichtigungen gibt es zwar schon länger, doch sind sie eben nicht für praxisbezogene Vorführungen und Simulationen geeignet. Der Container von Hoyer verfügt dagegen über zwei voll funktionsfähige Kammern mit 1.6 bar Betriebsdruck, die oben und unten in den Tank eingelassene Sichtscheiben haben und von innen beleuchtet sind. Das Luftventil ist jeweils von unten bedien- und anschließbar.
Kammer 1 hat zudem ein pneumatisch zu betätigendes Bodenventil mit Verbindung zur Überfüllsicherung von Kammer 2, einen Anschluss mit Ventil für die Beladung von oben, einen funktionsfähigen Füllstandsensor sowie isolierte Bodenauslauf- und Domkästen. Die zweite Kammer besitzt ein mechanisch zu betätigendes Bodenventil, ein Steigrohr mit Ventil für die Be- und Entladung sowie Überfüllsicherung und Reinigungskopf, die beide funktionsfähig sind. Die dritte Kammer schließlich ist zugänglich über eine Treppe und eine hochklappbare Flügeltür. Tafeln an der Tankinnenwand demonstrieren unterschiedliche Beschichtungsarten, ein Computer mit großem Bildschirm kann für Präsentationen und als Zugang ins Internet genutzt werden. Über zwei Sichtscheiben in der Trennwand lässt sich auch von hier aus das Geschehen in Kammer 2 beobachten.
Auf der Außenseite des Containers hat man einen Teil der Isolierung entfernt, um die darunter liegenden Dampfrohre, Vakuumringe, die Ablaufrohre vom Mannlochkasten, das funktionsfähige Glykol-Heizsystem sowie mehrere Tafeln mit verschiedenen Elektroheizungen zu zeigen. Das Fahrgestell ist mit Schränken mit Materialien für Unterrichtszwecke und Geräten für die Simulation ausgerüstet. Dazu gehören Entladepumpe, Kompressor, verschiedene Schläuche, Armaturmodelle und weitere Ausstattungen. Über eine Aufstiegstreppe zur Plattform kann man den Container mit seinen Domdeckeln und Mannlöchern schließlich auch von oben begutachten.
Dank der umfangreichen Ausstattung lassen sich am Container die verschiedensten Situationen gefahrlos mit Wasser durchspielen: Be- und Entladung, Druckentladung, aber auch bei der Beladung gegen die Überfüllsicherung zu fahren oder das Bodenventil zufallen zu lassen. „Alles Dinge, die an verschiedenen Entladepositionen heute gang und gäbe sind“, weiß Dieter Platz und ergänzt launig: „Besser mit Wasser matschen als mit einem Produkt der Klasse 6.1.“
Auch für Kunden und Rettungskräfte
Schnell zeigte sich nach den ersten Schulungen, dass Kunden der Spedition ebenfalls am neuen Konzept interessiert waren. Denn die verladende Chemieindustrie steht vor dem gleichen Problem: Wie können kaufmännische Mitarbeiter so unterwiesen werden, dass sie beim Stichwort Tanktransport die gleichen Bilder vor Augen haben wie der Dienstleister und seine Fahrer? Bei Hoyer hat man die Nachfrage aufgegriffen und lädt Verlader zu Schulungen ein, bei Bedarf wird der Container sogar zum Kunden gebracht. „Damit werden die Reibungsverluste geringer“, sagt Platz.
Interesse zeigen auch die Behörden, die für Rettungseinsätze bei Unfällen mit Gefahrgut zuständig sind. Mittlerweile hat man das Gerät bei der Wasserschutzpolizei Hamburg, der Feuerwehr Lübeck und anderen Organisationen mit Sicherheitsaufgaben zur Schulung von Einsatzkräften eingesetzt.
„Seit dem 4. Juni letzten Jahres haben wir circa 1500 Personen durch unseren Schulungscontainer geschleust“, fasst Hoyer-Fachmann Platz zusammen. Gemeinsam mit dem Tank waren er und seine Crew nicht nur auf vielen Betriebshöfen in ganz Deutschland unterwegs, sondern auch an Hoyer-Standorten in Spanien, Italien, Frankreich und England. Demnächst ist sogar eine Schulung in Schwedengeplant. Ein echter Gewinn für die Sicherheit auch bei internationalen Tanktransporten.
Zum Video über den Preisträger (Link nicht mehr aktiv)
Rudolf Gebhardt
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